Zum Frontal 21 Beitrag „Kostenfalle: Kinderspiele im Internet“ 11.12.2012

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Anfang Dez. wurde ich von Frontal 21 zum Thema Free-to-play Games interviewt. Zwei meiner Aussagen wurden in den o.g. Beitrag „Kostenfalle: Kinderspiele im Internet“ aufgenommen:

a) Früher haben die Entwickler nichts weiter machen müssen als schöne Spiele entwickeln, und jetzt müssen die Entwickler den Verkauf dieser Items mit ihm Kopf haben, als von vornherein müssen die das mit einplanen, dass die die Spiele so machen, dass die Spieler in Situationen kommen, wo sie mehr oder weniger, nicht gezwungen, wo sie verführt werden solche Items zu kaufen.

b) Ich berichtete über eine Konferenz, auf der der Monetarisierungs-Experte Julian Hühnermann gesprochen hatte. Er hatte gesagt: „Entwickler müssten Spaß daran haben, Leute abzuzocken“.

Hier werde ich Stellung nehmen

a) zu den Aussagen von Herrn Hühnermann
b) zum Free-to-play Geschäftsmodell

 

Julian Hühnermann

Der F21 Beitrag hat meine Aussagen über Herrn Hühnermann fehlerhaft zusammengefügt.

Hier die Korrekturen und eine Ergänzung:

a) Ich besuchte am 25. Und 26. Mai 2011 den Social Gaming/Social Goods Summit in Berlin.
Hier hielt Julian Hühnermann einen Vortrag zum Thema „Monetization and Balancing in Browsergames“. Ich habe diesen Vortrag mitgeschnitten, was erlaubt war, und zitiere deswegen wörtlich aus ihm. (Im Internet ist der Vortrag nicht mehr zu finden.)

„Die Leute müssen Spaß daran haben, Geld aus anderen Leuten rauszuholen, … so dass Leute, die produzieren, und die Produktmanager, sie müssen Spaß daran haben im Grund, ja, sagen wir es so: Leute abzuzocken.“ („So people have to have fun getting money outside of other people, … so that people who produce, and the product managers they have to have fun with – yea let’s say with basically ripping off people“).
Herr Hühnermann erläuterte nach diesen Erklärungen den Unterschied zwischen „Soft balancing“, das nach dem Prinzip von Fairness funktioniert und Hard Balancing. Zum zweiten sagte er „That’s where the money comes in“. Mit großer Begeisterung beschrieb er, wie der Spieler dazu verführt wird, seinen Tank, der ihn 30 Euro gekostet hatte, durch einen neuen zu ersetzen, nur weil dieser einen Kanonenslot mehr hat, und wie er sich über den Neuerwerb freut: „Yea, a new tank. I get a lot more with that … and I have to keep at it, because I can be stronger in the game that I love most, and I could be better than somebody else.“ „Und dann rechnete er den Profit vor, vor allem den, der mit dem Verbrauch von Kanonenkugeln gemacht wird.

In dem Zusammenhang sagte Herr Hühnermann, … und das ist wohl einer der Gründe, warum ich meine Kinder keine free-to-play Spiele spielen lassen würde. Aber es ist eine Methode Geld zu machen“.
(„But here is what we think as developers behind it, and that maybe a reason why I wouldn’t let my kids play free-to-play games. But it’s a way to get money.“)

Casual Connect Europe: February 7 – 9, 2012

Auf der Casual Connect Konferenz hielt Herr Hühnermann den gleichen Vortrag in abgewandelter Form noch einmal und stellte ihn YouTube. Wieder sprach er über einen Spieler, dem Geld abgenommen wird. Wieder war seine Begeisterung darüber groß, dass dieser nicht merkt, wie er verführt wird (They don’t think that you are actually ripping them off. They will like it.)

Herr Hühnermann hat dieses Video aus YouTube genommen, nicht weil ihm der Zusammenhang mit der Frontal 21 Diskussion peinlich war, wie ein GameStar Redakteur in einem YouTube Kommentar behauptete, sondern offenkundig, weil er nicht wollte, dass diese zynischen Aussagen über die Verführbarkeit der Spieler in der Nicht-Entwickler-Öffentlichkeit bekannt werden.

 

Ethische Fragen zum free-to-play Geschäftsmodell

Dass man einem Computerspiel Gegenstände kaufen kann, die dem Spieler Spielvorteile bringen, war – anders als in asiatischen Ländern – im Westen lange verpönt und bis heute finden es viele, oder die meisten, Spieler anstößig.

Electronic Arts, jedoch, eine in vielerlei Hinsicht moralisch defizitäre Firma – sie hat in Amerika für ihre üblen Geschäftspraktiken 2012 den so genannten POO Award bekommen – also EA sprach sich 2009 öffentlich dafür aus, dieses Tabu zu brechen. Gefragt nach den Micropayments als Einnahmequelle der Zukunft, sagte Gerhard Florin, damals „zuständig für Internationales“: „Märkte, in denen es schon sehr gut funktioniert, sind Korea und China. Beide zusammen erwirtschaften mehrere Milliarden Dollar – das meiste durch Micropayments. Begonnen hat das mit dekorativen Items, mit denen die Spieler ihre Figuren schöner aussehen lassen können. Damit ist aber nicht mehr viel Geld zu verdienen. Was heute Geld bringt, sind Erweiterungen, die in das Spiel eingreifen, indem die Figur schneller wird, höher springen oder genauer schießen kann.“ Dieser Erklärung fügte er einen Begriff hinzu, die das Spielprinzip auf den Punkt bringt: Digitales Doping.

Dass mit diesen Spiel-Elementen ethische Grundprinzipien aufgegeben werde, ist in der Branche ein durchaus beachtetes Thema. Auf der der Entwicklerkonferenz 2012 in San Francisco gab es eine Podiumsdiskussion zu dem Problem: When does effective freetoplay design become an ethical matter? Wann wird effektives free-to-play design eine ethische Angelegenheit?

Nic Davidson von Amazon fand hier harte Worte für die Entwickler von Free-to-play Games. „Die langfristige Folge davon (psychologisch manipulative Design Techniken in den Spielen zu verwenden) sei, dass wir den Brunnen vergiften. Unsere Nutzer werden abgehärtet gegen Virale Tricks, die wir benutzen, um die Leute dazu zu bringen, dass sie das tun, was wir wollen.“

Auch in Deutschland gibt es Hinweise darauf, dass Entwickler die ethischen Dimensionen des f2p-Geschäftsmodells reflektieren. Nicholas Lovell, Autor von Design Rules Free-to-play games, (die es leider nur für den Kindle zu kaufen gibt) und Verfasser des täglich erscheinenden Gamesbrief, hat angekündigt, dass sich dieser Newsletter im Jahre 2013 vorrangig ethischen Fragen des Geschäftsmodells widmen wird. Ohne Grund hat er das sicher nicht getan.
GAMESbrief in 2013–ethics are coming front and centre .

Neben besonnenen Entwicklern wie Herrn Lovell gibt es aber weiter solche wie
Teut Weidemann, Chef-Entwickler bei Ubisoft, der erklärt:

  • Der Schlüssel für den Free-to-play Erfolg ist es, die menschliche Schwäche auszunutzen (Dieses Prinzip erklärt er anhand der sieben Erbsünden)
  • Wenn man vor den Spielern versteckt, was andere tatsächlich bezahlen, dann kann man mehr Geld kriegen, ohne dass die Spieler sauer werden.
  • Vorteile zu verkaufen, wird als etwas Böses angesehen. Das ist vorbei in f2p Spielen.

(„the key to free-to-play success is to exploit human weakness“ If you hide from the players what other players are actually paying for, you can get more money without making players angry.“ „Selling advantages is seen as evil. That’s over for free-to-play games.“)

Zur Ehre der Community sei gesagt, dass diese Thesen von Teut Weidemann umstritten waren. Ein Kommentar fleht: Bitte, bitte, lasst dies einen satirischen Beitrag sein („Please please please let this be a satirical performance act„)
Aber er fleht umsonst. Die gleichen Grundsätze hatte ein chinesischer Entwickler, Zhan Ye, bereits auf dem „Virtual Goods Summit“ 2009 in San Francisco ohne jegliche satirische Absichten verkündet. Seine PowerPoint Folien kann man bei SlideShare downloaden:

  • Gutes Game design basiert auf einem tiefen Verständnis der menschlichen Psychologie.
  • In gewisser Weise beuten Spiele-Entwickler die Schwächen der Menschen aus.
  • In gewisser Weise funktionieren f2p Spiele wie Casinos in Las Vegas.

(„Good monetization design is based on deep understanding of human psychology.
In a sense, game designers are exploiting people’s weaknesses …
In a sense, F2P games are operated like casinos in Las Vegas“).

Viele der Design Regeln für free-to-play Spiele sind tendenziell geeignet, ein Suchtpotential zu erzeugen bzw. dieses zu erhöhen. Wie das geschieht, kann hier nicht im Einzelnen ausgeführt werden. Den Spielern scheint der Zusammenhang jedoch klar zu sein. Ein Kommentar zu den oben zitierten Thesen von Teut Weidemann lautete:

Entwickler sollten nicht reden wie Drogendealer.
Developers shouldn’t talk like drug-dealers.